Während Headless Commerce beispielsweise in den USA relativ weit verbreitet und bekannt ist, fristet er im deutschsprachigen Raum eher ein Dasein als Exot. Und das dürfte der Grund sein, warum viele möglicherweise nicht wissen, was Headless Commerce konkret ist - oder gar noch nie etwas davon gehört haben. Gerade aber dadurch, dass Headless Commerce anderswo ein Thema ist, stößt man auch hier im deutschsprachigen Raum immer öfter auf diesen Ausdruck, sodass man ihm sicherlich schon mal begegnet ist; wenn auch flüchtig.
In diesem Artikel möchten wir das nun ändern. Wir erklären Dir, was Headless Commerce ist und worin die Vor- und Nachteile liegen. Ferner möchten wir darauf eingehen, inwiefern Headless Commerce mit der Shopify-Plattform realisiert werden kann.
Zu diesem Zweck haben wir mit Michael Geissler von Clickconcepts gesprochen, der selbst zwei Shopify-Shops mit dem Headless-Konzept realisiert hat. AUs diesem Grund besitzt er nicht nur eine hohe Expertise in diesem Bereich, sondern gehört wohl zu den wenigen, die sich im deutschsprachigen Raum mit Headless Commerce so intensiv beschäftigt haben und sich damit so gut auskennen.
Was ist Headless Commerce?
Bei Headless Commerce handelt es sich um eine Shop-Architektur, bei der das Backend vom Frontend abgekoppelt ist; sie bilden also keine Einheit, wie dies bei konventioneller Shop-Architektur der Fall ist.
(Um auch alle Fachtermini zu klären: Das Backend ist der Adminbereich, wo die Einstellungen für den Shop vorgenommen werden; beispielsweise Produktmanagement und Content Management. Das Frontend ist der Shop, den die Besucher:innen und Kund:innen sehen.)
Bei Shopify beispielsweise bilden das Backend und das Frontend eine Einheit, sie sind miteinander verbunden. Das Theme ist das Frontend, das im Backend bearbeitet wird. Und wenn Du im Backend beispielsweise Produktseiten erstellst, sehen sie im Frontend alle gleich aus, weil das Template des Themes für die Produktseiten einheitlich ist. Es herrscht also eine gewisse Synchronie.
So könnte man Shopify als Shopsystem darstellen: Backend (Shopify-Admin) → Frontend (Shopify-Theme)
Bei Headless Commerce ist das jedoch anders: Es steht dabei nur das Backend zur Verfügung, also im Falle von Shopify nur der Adminbereich. Das Frontend wird hingegen individuell entwickelt. Dafür bietet Shopify die Frontend-API als Schnittstelle für das "externe" Frontend an, das auf unterschiedliche Weise realisiert bzw. entwickelt werden kann: Entweder handelt es sich um Tools wie beispielsweise Frontastic, die relativ einfach zu bedienen sind und auch das Hosting übernehmen; oder eine andere Technologie. Die Möglichkeiten sind recht vielfältig und hängen auch davon ab, wie viel man selbst managen möchte.
Also könnte man Headless folgendermaßen darstellen: Backend (Shopify-Admin) → Frontend-API (Shopify-Admin) + externes Frontend (z.B. Frontastic)
Was sind die Vorteile von Headless Commerce?
Die Vorteile liegen auf der Hand: Die Möglichkeiten für Individualisierung bzw. Personalisierung sind nahezu unbegrenzt. Beispielsweise gilt das für die User Experience (UX) oder das Design. Für jedes Produkt bzw. jede Produktkategorie kannst Du zum Beispiel eine eigene Seite mit individuellem Design erstellen, indem für jede Produktseite ein Template entwickelt wird.
Damit ist auch die Möglichkeit verbunden, die Linkstrukturen exakt anzupassen, um die SEO maximal zu optimieren. Bei konventioneller Shop-Architektur ist dies nämlich begrenzt möglich, weil die individuelle Anpassung von URL-Bundles relativ eingeschränkt ist.
Individuelle Produktseiten sind besonders im Kontext der Internationalisierung ein wichtiges Thema: Für jeden Markt, in dem Du tätig bist, kannst Du Deinen Shop landesspezifisch bestens anpassen und die entsprechenden Zielgruppen besser ansprechen.
Du schaltest dabei ein externes Content Management System (CMS) an, über das Du die verschiedenen Sprachen und Inhalte managst und einpflegst. So ist es einfacher für die Texter:innen oder Marketing-Mitarbeiter:innen, die Inhalte zwischen allen internationalen Stores mit möglichst wenig Aufwand zu pflegen und zu steuern.
Ein weiterer Vorteil betrifft die Performance: Wenn man Shopify-Apps nutzt, kann dies unter Umständen Auswirkungen auf den Pagespeed haben, sodass Seiten vielleicht langsamer geladen werden. Eine umfassende Anpassung ist nicht möglich, weil man ja selbst keinen Zugriff auf die Shopify-Server hat. Bei Headless Commerce hat man mehr Möglichkeiten, Einfluss auf den Pagespeed zu nehmen und somit die Performance zu optimieren. Allerdings hängt es auch dort davon ab, für welche Technologie man sich entscheidet. Wer über die finanziellen Ressourcen verfügt, kann den Pagespeed auch dementsprechend bestens optimieren.
Headless Commerce bietet also eine maximale Flexibilität und sehr viel Raum für eigene Ideen und Vorstellungen, sodass sehr individuelle Shops gestaltet werden können.
Was sind die Nachteile?
Auch die eventuellen Nachteile liegen auf der Hand: Der hohe Grad an Individualisierung und Personalisierung und die Flexibilität haben natürlich zur Folge, dass sehr viel Entwicklungsarbeit notwendig ist. Nur wenn man über die entsprechenden IT-Ressourcen verfügt, sozusagen auf solch einer großen “grünen Wiese” etwas zu bauen, kann man von den Vorteilen auch profitieren. Insofern haben nur jene tatsächlich die Freiheit, viel zu individualisieren, die auch die Möglichkeiten haben, in die entsprechenden technischen Ressourcen zu investieren. Und das bedeutet infolgedessen auch, dass man über die finanziellen Ressourcen verfügen muss, da sie mit hohen Kosten verbunden sind. Wenn dies nicht der Fall ist, kann die Storefront auf Headless weniger zeitgemäß aussehen als auf Shopify.
Was man hierbei auch beachten sollte: Shopify selbst bietet auch ein hohes Maß an Individualisierung. Natürlich muss man sich dabei an die Coding-Strukturen von Shopify halten und entsprechend codieren bzw. codieren lassen. Es gibt aber nichts, was wir bisher nichts Individuelles auf Shopify umsetzen konnten - und das bei vergleichsweise weniger Aufwand, als dies bei Headless der Fall wäre.
Ein weiterer Nachteil ist, dass Shopify-Apps mit Headless Commerce eher nicht kompatibel sind, sodass man auf sie verzichten muss. Und das ist ein Punkt, den man nicht unterschätzen sollte. Gerade die Vielzahl an verschiedenen Apps im Shopify-Ökosystem ist eine der größten Stärken von Shopify. Es gibt zahlreiche Shopify-Apps für jedes mögliche Bedürfnis und jedes Budget, die miteinander kommunizieren und schnell und einfach integrierbar sind; ob es um Must-have-Apps geht (wie Rechnungserstellung) oder um Nice-to-have-Apps (wie Loyalty Programme). Dies alles fällt mit Headless weg. Die Aufgaben, die die Shopify-Apps erledigen, wären ohne die Apps dementsprechend wesentlich komplizierter und komplexer. Damit einhergehend auch langsamer, wenn man neue Funktionalitäten integrieren möchte.
Headless Commerce ist also etwas, in das relativ viel Zeit investiert werden muss. Man muss sich auch darauf einstellen, dass technische Ungereimtheiten auftreten können; schließlich muss vieles "einzeln" entwickelt werden. Shopify hingegen ist sozusagen eine All-in-One-Lösung.
Damit wären wir auch beim nächsten Punkt: Wartung und Pflege. Das sind Posten, um die sich Händler:innen auf Shopify nicht selbst sorgen müssen. Bei Headless hingegen müssen sich Händler:innen selbst um Wartung und Pflege kümmern.
Fazit
Während Headless in aller Munde ist und nach wie vor im Trend zu sein scheint, sehen wir von tante-e dies in der Praxis eher kritisch. Es ist ein Thema, welches von technischer Seite maximal reizvoll ist, da man absolute Kontrolle über sämtliche Aspekte im Shop hat. Und technisch versierte Händler:innen oder Mitarbeiter:innen sehen dies auch als spannende Herausforderung. Jedoch ist diese Freiheit mit sehr viel (Eigen-)Verantwortung und Aufwand -technisch wie finanziell- verbunden. Anstatt den Fokus auf jene relevanten Dinge zu legen, die zum Shop-Wachstum beitragen, schnell zu agieren und sich kosteneffizient zu entwickeln, muss man sich bei Headless um alles kümmern, was bei Shopify schon inbegriffen ist. Man muss viel Zeit investieren, statt sofort mit dem Shop loszulegen.
Infolgedessen muss man natürlich auch viel Geld investieren, um Headless richtig zu nutzen. Wir persönlich haben bisher kaum Fälle gesehen, wo dieser Ansatz im Shopify-Kontext Sinn macht und für Händler:innen mehr Vorteile bietet.
Headless erlaubt zwar mehr Flexibilität und auch Kontrolle über Server und Linkstruktur. Die daraus gewonnenen inkrementellen Prozentstellen in gesteigerter Performance werden jedoch meist unterlaufen von den vielen Herausforderungen und Verlangsamungen, die ein Headless-Konstrukt mit sich bringt.
Am Ende bleibt die Frage: Was ist das primäre Ziel Deines Online-Shops? Fährst Du gegebenenfalls mit einigen kleineren Limitierungen, aber dafür gewonnener Schnelligkeit, weniger gebrauchten Ressourcen, geringeren Kosten und geringerer Komplexität wesentlich besser? Dies muss im Einzelfall bestimmt werden; gerne helfen wir Dir bei der Evaluierung.
Du hast Fragen? Melde Dich gerne bei uns!
Setze Dich gerne mit uns in Verbindung, wenn Du Fragen bezüglich Headless Commerce oder Shopify hast oder Beratung oder Unterstützung benötigst. Wir von Tante-E sind eine der führenden Shopify-Experten-Agenturen in Deutschland mit Standorten in Berlin und Köln. Wir betreiben nicht nur eigene Onlineshops auf Shopify, sondern haben in den letzten zwei Jahren 200 Projekte wie Shop-Setups oder Shop-Optimierungen realisiert. Insofern verfügen wir über eine hohe Expertise im Bereich E-Commerce im Allgemeinen und Shopify im Besonderen. Daher würden wir uns sehr freuen, wenn wir auch Dir helfen dürfen. Melde Dich einfach bei uns, wir freuen uns auf Dich.